Overblog
Edit post Folge diesem Blog Administration + Create my blog
aileenogrian.overblog.com

Autorin von Science Fiction und Fantasy

Letzte Vorbereitungen

Mechtild summte „White Christmas“ mit, das im Radio erklang. Dazu tänzelte sie durch das Wohnzimmer und holte den Karton mit der Lichterkette. Kerzen wären ihr zwar lieber gewesen, aber sie traute ihrer kleinen Katze nicht. Sie hatte Minka erst vor kurzem von der alten Nachbarin übernommen, als diese ins Pflegeheim musste. Das Tier hatte sich noch nicht eingelebt und manchmal sehr eigen. Bevor die Wohnung in Flammen stand, hatte sich Mechtild lieber beim Discounter eine energiesparende LED-Weihnachtskette besorgt.
Die Katze, die ihr bisher zugesehen hatte, lief zur Stereoanlage und schlug mit der Pfote gegen die Anzeige. Mechtild lachte. Es sah zu komisch aus. Als ob Minka ein anderes Programm aussuchen würde. Die Katze schlug erneut, diesmal traf sie eine Taste. Jetzt spielte das Radio irische Volksmusik. Mechtild summte mit. Vielleicht nicht so weihnachtlich, aber in ihren Füßen zuckte es. Leichtfüßig sprang sie um den Baum und befestigte die Kette.
Anschließend steckte sie den Stecker in die Steckdose. Alle Lichter brannten. Jetzt kamen die Glaskugeln an die Reihe. Sie stellte den Karton auf den Tisch und öffnete ihn. Inzwischen spielte das nächste Lied. Mechtild summte den Refrain mit. Die Katze beobachtete sie lauernd. Dann sprang sie zu ihr und umtanzte sie. Ja, es war wirklich ein Tanz.
„Du bist eine ganz Süße“, murmelte Mechtild und summte weiter. Noch bevor sie nach der ersten roten Kugel greifen konnte, flog diese durch den Raum zum Baum und hängte sich an den obersten Astquirl. Die nächste folgte. Staunend schaute Mechtild dem Geschehen zu. Eine Glaskugel nach der anderen schwebte durch den Raum und sortierte sich gleichmäßig in den Baum.
Mechtild kniff sich. Aua, sie schob den Ärmel hoch. Ihr Oberarm wies eine rote Stelle auf, die noch immer schmerzte. Morgen würde sie dort einen blauen Fleck haben.
Die Katze miaute und rieb ihren Kopf an Mechtilds Waden. „Hast du das auch gesehen? Was sagst du dazu?“ Mechthild holte die goldenen Schleifen, die sie in den letzten Tagen gebastelt hatte. Kaum stand der Wäschekorb auf dem Tisch, schwebten die Schleifen, hintereinander aufgereiht wie Soldaten durch den Raum und banden sich an genau die richtigen Stellen. Mechtild selbst hätte lange überlegen müssen, wo sie am besten aussahen.
Vor Schreck setzte sie sich auf einen Stuhl. Jetzt erschienen die bunten Girlanden, die sie vor Jahren fabriziert hatte. Eigentlich passten sie nicht zu dem edlen diesjährigen Baum, aber sie hing so an ihnen. Von der Baumspitze drehten sie sich spiralförmig nach unten. Sie hielten sich im Hintergrund, glänzten dezent und verliehen dem Baum das gewisse Etwas.
Mechtild stöhnte laut, sie griff hinter sich, öffnete den Schrank und holte ein Likörglas und die Cognacflasche heraus.
Als die Strohsterne sich an die Winkel des Bücherregals hängten, hatte sie schon das zweite Glas getrunken. Die Faltsterne dekorierten den Tisch, nachdem die Kartons im Abstellraum verschwunden waren und die Weihnachtsdecke sich selbst entfaltet hatte.
Die Katze sah Mechtild auffordernd an. Mechthild holte eine Kristallschale aus dem Schrank und füllte etwas Cognac in die Schale, dann goss sie den Rest in ihr Glas.
„Prosit.“ Sie hob das Glas in Richtung der Katze, bevor sie es austrank.

© Aileen O‘Grian

Diesen Post teilen
Repost0
Um über die neuesten Artikel informiert zu werden, abonnieren:
Kommentiere diesen Post